Donnerstag, 12. Mai 2011

Artikel aus der Sindelfinger/Böblinger Zeitung


12.05.2011 - Von unserer Mitarbeiterin Sybille Schurr

Der eine oder andere Bürgermeister, der als Kreisrat im Umwelt- und Verkehrsausschuss sitzt, mochte es nicht so richtig glauben, was er da zu hören bekam: Keiner wird vom demografischen Wandel verschont bleiben. Für neue Wohngebiete bestehe kein Bedarf mehr.
Größere familiengerechte Wohneinheiten werden in Zukunft kaum mehr nachgefragt, dafür boomen Seniorenwohnungen. Und Landrat Roland Bernhard hat ein Defizit in den Planungen des Kreises ausgemacht: „Wir planen Altenheime, aber keine seniorengerechten Wohnanlagen“. Außerdem zieht es die Senioren zurück vom Land in die Städte, die mit besserer Infrastruktur aufwarten. Sie suchen bequeme, altersgerechte Wohnungen, ebenerdig oder mit Aufzug ausgestattet. Laut einer von der Kreissparkasse in Auftrag gegebenen Untersuchung werden im Landkreis bis 2025 etwa 8600 altengerechte Wohnungen gebraucht.
Wie sich Wohnraum in den Kommunen unter diesen Voraussetzungen besser nutzen lässt, soll das Projekt „Demografie und Wohnraumpotenziale“ des Umweltministeriums, an dem sich der Landkreis Böblingen beteiligt, zeigen. Stefan Flaig vom Ökonsult-Institut stellte die Ergebnisse im Ausschuss vor. Untersucht wurden die vier Projektgemeinden Böblingen, Magstadt, Mötzingen und Nufringen. Die Ergebnisse, so Stefan Flaig, seien auf jede Kommune im Kreis anzuwenden. „Der demografische Wandel holt alle ein, selbst wenn die Entwicklungen jetzt noch positiv sein mögen“.

So ergaben die Recherchen für Böblingen, dass derzeit in Böblingen 373 Gebäude mit reiner Wohnnutzung leer stehen. Davon ausgehend, dass es sich vor allem um Ein-und Zweifamilienhäuser handelt, stehen damit aktuell 600 Wohnungen leer. Stefan Flaig: 620 Gebäude werden bis zum Jahr 2030 leer stehen. Das bedeutet rund 1500 leer stehende Wohnungseinheiten.Schon heute verzeichnen die Gemeinden bis zu fünf Prozent Leerstände. Innenentwicklung könnte die negative Entwicklung abfedern, sagte Stefan Flaig. Er warnte vor neuen Wohngebieten im Außenbereich, dies stehe in direkter Konkurrenz zur Innenentwicklung.
„Kein Bedarf für Baugebiete“
Nicht viel besser sieht es in Magstadt aus, derzeit stehen hier 105 Gebäude leer, das sind 5,7 Prozent des Bestands. Bis 2030 wird ein Leerstand von 9,7 Prozent prognostiziert, das sind 178 Wohngebäude. „Es gibt in Magstadt keinen Bedarf für die Ausweisung weiterer Baugebiete“, so Flaig. Es sollte vielmehr versucht werden, die Wiederbelegung der Leerstände durch „junge Familien“ verstärkt auf die bestehenden Ein- und Zweifamilienhäuser zu lenken. Die Baulücken und Brachflächen (rund 7,6 Hektar) sollten für kleine, altengerechte, barrierefreie Wohnungen für die wachsende Nachfrage nach Seniorenwohnungen genutzt werden.
Für Stefan Flaig steht außer Zweifel, dass die Wiederbelebung der Ortskerne nicht allein dem Markt überlassen werden kann, „zur Wiederbelegung der Leerstände braucht es aktive Unterstützung“ zum Beispiel durch kommunale Bauleitplanungen oder Fördermittel. (siehe auch Kommentar auf Seite 7).